Dieselfahrverbot in Stuttgart ab 2018: nach Freiwilligkeit kommt die Zwangsmaßnahme

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Ausgerechnet Stuttgart, die Landeshauptstadt des wohl „grünsten“ Bundeslandes, kämpft seit Jahren mit zu hohen Feinstaubwerten und ist regelmäßig negativer Spitzenreiter bei der Überschreitung von EU-Grenzwerten. Bereits seit 2016 wird in der Schwabenmetropole ein sogenannter Feinstaubalarm ausgelöst, wenn aufgrund der Wetterlage wieder einmal „dicke Luft“ droht.
Verkehrsteilnehmer sollen dann freiwillig auf umweltfreundliche Verkehrsalternativen umsteigen. Da die erhoffte Steigerung der Luftqualität jedoch nicht eingetreten ist, will Stuttgart ab 2018 nun Dieselfahrzeuge per Ordnungsrecht aus dem Stadtgebiet verbannen.
Das Fahrverbot für Dieselfahrzeuge im Detail
Im Kampf gegen den Feinstaub greift die grün-schwarze Landesregierung Baden-Württembergs nun zu drastischen Maßnahmen: Ab 2018 werden sämtliche Dieselfahrzeuge, welche nicht die Vorgaben der strengen Abgasnorm Euro 6 erfüllen, aus Stuttgart ausgesperrt. Damit ist Stuttgart die erste Stadt in Deutschland, die ältere Dieselautos aus dem Zentrum verbannt. In anderen Städten Europas, darunter Oslo und Paris, gelten derartige Regelungen schon länger. Die Ausgestaltung unterscheidet sich jedoch deutlich.
In der baden-württembergischen Landeshauptstadt sollen Dieselautos ohne Euro-6-Antrieb nicht mehr im Stuttgarter Talkessel, in Teilen von Zuffenhausen und im gesamten Stadtteil Feuerbach fahren dürfen, sofern Feinstaubalarm besteht. Wie häufig dieser, durch entsprechende Wetterlage begünstigte Alarm ausgelöst wird, zeigt sich aktuell. Seit Anfang 2017 bestand die Alarmsituation bereits an 30 Tagen, wobei gemäß EU-Regelung nur 35 Tage pro Jahr erlaubt sind. 2016 gab es in Stuttgart ganze 63 Überschreitungstage, weshalb Strafen der EU drohen und behördliches Handeln erforderlich ist.
Rund 73.000 Fahrzeuge sind vom Fahrverbot betroffen
Etwa 107.000 Dieselfahrzeuge sind es, die direkt in Stuttgart zugelassen sind. Kaum verwunderlich: Ein Großteil davon, nämlich 73.000, erfüllen nicht die Anforderungen der Euro-6-Norm. Obwohl es vermutlich einige Ausnahmeregelungen geben wird, sind also dennoch zahlreiche Autofahrer vom Verbot betroffen. Stuttgart ist im Übrigen kein Einzelfall. Rund 90 weitere Kommunen und Städte in Deutschland überschreiten die Grenzwerte, weshalb bereits ein Verfahren wegen Vertragsverletzung durch die EU eingeleitet wurde. So erwägen beispielsweise auch Berlin und das Land Nordrhein-Westfalen die Einführung ähnlicher Regelungen.
Hätte es so weit kommen müssen?
Es ist wahrlich keine neue Erkenntnis, dass in zahllosen deutschen Städten regelmäßig die Abgas-Grenzwerte überschritten werden. Ebenso ist seit Jahren klar, dass Dieselfahrzeuge die Hauptverursacher sind. Einige Politiker, darunter auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, fordern bereits seit längerer Zeit die flächendeckende Einführung einer blauen Plakette, um ältere Dieselautos aus Innenstädten zu verbannen. Eine Mehrheit auf Bundesebene existiert dafür allerdings nicht.
Doch hätte die ganze Debatte nicht durch andere Maßnahmen komplett verhindert werden können? Warum befahren überhaupt derart viele Dieselfahrzeuge die deutschen Städte?
Zunächst liegt dies an teils mangelhaften ÖPNV-Konzepten. Die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs muss schlicht genauso komfortabel sein, wie die Nutzung des eigenen Autos, damit sie stärker zum Tragen kommt. Der zweite wesentliche Faktor ist es, dass eine Trendwende hin zu alternativen, emissionsfreien Antrieben hierzulande kaum in Sicht ist. Einerseits ist dies gravierenden Versäumnissen innerhalb der deutschen Automobilindustrie zuzuschreiben. Zu lange wurde auf immer stärkere Dieselmotoren gesetzt, anstatt sich mit der Entwicklung von Elektromobilität auseinanderzusetzen. Bis heute existieren keine E-Autos deutscher Hersteller, die eine praxistaugliche Reichweite aufweisen.
Auf der anderen Seite muss sich auch die Politik verantworten, die in der Vergangenheit kaum Anreize für alternative Technologien schuf und immer noch kein Konzept entwickelt hat, wie Deutschland flächendeckend mit einem E-Tankstellennetz ausgestattet werden kann. Ferner wäre es, nicht zuletzt mit Blick auf den VW-Abgasskandal, förderlich, wenn Euro-6-Fahrzeuge die entsprechenden Vorgabewerte auch tatsächlich einhalten würden. Hiervon sind im Übrigen längst nicht nur VW-Fahrzeuge betroffen – auch die Autos anderer Hersteller überschreiten die Norm-Grenzwerte im Realbetrieb teils um ein Vielfaches. Schärfere Kontrollmechanismen könnten Abhilfe schaffen, werden aber offensichtlich seitens der Politik nicht für notwendig erachtet.
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5. Juli 2019 @ 01:23
Jeder Bürger sollte das Recht haben sein Fahrzeug so nachzurüsten
dass eine Verminderung Reduzierung von NO2 Emissionen erreicht werden kann.
Nützlich wäre auch den LKW-Verkehr weitgehend auf die Schiene zu verlegen. Ebenfalls gut fand ich vorletztes Jahr die Aktion, bei Feinstaubalarm umsonst mit den öffentlichen Fahren zu dürfen. Der ÖPN sollte generell mehr gefördert werden
28. Dezember 2018 @ 19:36
Markus D. hat schon recht. Viele Entscheidungen der dt. Politik sind nicht nachvollziehbar. Ein weiter so beim Abgas-Skandal ist unmöglich. Die dt. Regierung ist nicht fähig sinnvolle Entscheidungen gegen die Autokonzerne zu beschließen. Nützlich wäre ein Gesetz, das die Autokonzerne zur Nachrüstungen der Dieselfahrzeuge verpflichtet.
Nützlich wäre auch den LKW-Verkehr weitgehend auf die Schiene zu verlegen. Nützlich wäre auch eine viel höhere Besteuerung für Kerosin (Flugbenzin), da dieses auch sehr umweltschädlich ist und die Bahn umweltfreundlicher fährt bzw. fahren kann. Nützlich wäre auch ein stärkerer Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. Dazu gehört auch, dass die Fahrtpreise für den ÖPV nicht ständig erhöht werden, sondern ggf. stärker subventioniert werden. Das Linienangebot könnte erhöht werden, die Taktzeiten optimiert werden.
26. März 2018 @ 15:57
Da gibt es nur eine Lösung ein Gesetz zur Nachrüstung muss schnellstens verabschiedet werden.
Und zwar Nachrüstung aller Dieselfahrzeuge egal welche Euro Norm die Fahrzeuge haben.
Entscheidend ist dass durch diese Nachrüstung sofort die NO2 Emissionen der Fahrzeuge reduziert werden um ca. 90-95 %.
Das ist doch der wichtigste Punkt in dieser Debatte um den Diesel.
Jeder Bürger sollte das Recht haben sein Fahrzeug so nachzurüsten
dass eine Verminderung Reduzierung von NO2 Emissionen erreicht werden kann.
Das dient letztendlich allen Menschen und der Luftqualität in den Städten.
Und wenn sich die Autobranche mit ihren Lobbyisten weiterhin Kartellmässig Querstellt
dann bringt sie endlich vor ein Gericht und bestraft sie.
Die Gesundheit und die Lebensqualität der Menschen zu schützen und zu fördern ist das höchste Ziel.
Macht endlich Nägel mit Köpfen und hört auf mit den dummen Endlos Debatten wer die Schuld hat.
Jedes Bundesland kann eigens dafür ein Gesetz erlassen und die Zulassung vereinfachen,
dazu braucht es weder die Automobilhersteller noch die Lobby gesteuerten Politiker in Berlin.
Wo ein Wille da ein Weg.
21. April 2017 @ 22:32
Wenn Ich mir vor Augen führe, dass Ich nur “Euro 4” habe, obwohl der GLEICHE!!! Motor in einem anderen Auto wegen eines anderen Tests Euro 5 schafft und in einem aktuellen Auto der Marke seit 2 Jahren verkauft wird und nun locker die Euro 6 schafft, weil er einen Harnstofftank verpasst bekommen hat, der nur deshalb nicht in den Markt gegangen ist, weil die Marke gegen die deutschen Stinker nicht konnkurrenzfähig gewesen wäre, dann kriege Ich das Kotzen!!!!! Merkel, Wissmann und ihre Freunde haben mit Protektionismus die Forschung und Weiterentwicklung behindert und die Umwelt geschädtig! Wir könnten 10 Jahre weiter sein und schon seit Jahren Dieselfahrzeuge sehen, die nur ein Drittel des Ausstosses haben. Eine Dreckspolitik haben wir!!!!!