Bundesverwaltungsgericht Leipzig fällt Urteil zu Diesel-Fahrverboten
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Das Bundesverwaltungsgericht Leipzig hat Diesel-Fahrverbote am 27. Februar 2018 für grundsätzlich zulässig erklärt. Was werden die betroffenen Städte jetzt tun? Steht die Einführung der blauen Plakette bevor? Welche Rolle spielt die Autoindustrie? Und vor allem: Worauf müssen sich Diesel-Fahrer jetzt konkret einstellen? Dieser Artikel analysiert die Sachlage ausführlich für Sie.
Warum war eine Entscheidung zur Rechtsgültigkeit von Fahrverboten notwendig?
Die Debatten um potenzielle Fahrverbote nahmen Fahrt auf, als die Deutsche Umwelthilfe (DUH) die Städte Düsseldorf und Stuttgart wegen einer deutlichen Überschreitung der Stickoxidwerte verklagte. Die Verwaltungsgerichte beider Kommunen verpflichteten die zuständigen Behörden dazu, ihre Luftreinhaltepläne zu verschärfen, um geltende Grenzwerte möglichst schnell einzuhalten.
Sowohl das Stuttgarter als auch das Düsseldorfer Gericht betonten, dass hierbei auch Diesel-Fahrverbote in Betracht zu ziehen seien. Die Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg vertraten andere Sichtweisen: Sie forderten eine bundesweite Rechtsgrundlage. Aufgrund dieser unterschiedlichen Interessenslagen, befasste sich nun das Bundesverwaltungsgericht Leipzig mit der Fragestellung – und wies die Auffassung beider Bundesländer zurück.
Das Urteil zu Diesel-Fahrverboten im Detail
Das Bundesverwaltungsgericht Leipzig hat entschieden: Diesel-Fahrverbote in deutschen Städten sind nach geltendem Recht grundsätzlich zulässig. Die beklagten Großstädte Stuttgart und Düsseldorf müssen ihre Luftreinhaltepläne jedoch auf Verhältnismäßigkeit prüfen. Deshalb sieht das Urteil vor, dass Diesel-Fahrverbote schrittweise einzuführen sind und Übergangsfristen berücksichtigt werden sollen. Für Stuttgart bedeutet das konkret, dass Fahrverbote für Euro-4-Fahrzeuge vor dem 1. September 2018 nicht möglich sein werden. Für Euro-5-Fahrzeuge dürfen Verbote erst ab September 2019 greifen. Darüber hinaus soll es Ausnahmeregelungen für bestimmte Zielgruppen wie Handwerker geben. Die Polizei erhält die Berechtigung, die Einhaltung der Verbote zu überprüfen.
Es ist zu betonen, dass die Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg nun die Pflicht haben, Diesel-Fahrverbote ernsthaft zu prüfen und sie zu verhängen, wenn kein Weg daran vorbeiführt. NRW betrachtet die Verbote als letztes Mittel und möchte vorher alle anderen Optionen ausschöpfen. Das Verkehrsministerium von Baden-Württemberg kündigte hingegen an, dass im Jahresverlauf ein neuer Luftreinhalteplan kommen werde, der auch Fahrverbote enthalten soll.
Hat das Urteil der Leipziger Richter bundesweite Folgen?

Auch wenn sich das Bundesverwaltungsgericht Leipzig nur mit Düsseldorf und Stuttgart beschäftigt hat – das Urteil zu Diesel-Fahrverboten hat Signalwirkung für ganz Deutschland. Entsprechend sind bundesweite Folgen wahrscheinlich. Jede andere Stadt, in der Stickoxidwerte stetig überschritten werden, kann Verbote nun rechtssicher verhängen. Allerdings besteht keine allgemeine Verpflichtung dazu. Experten rechnen damit, dass die meisten Kommunen eher durch Klagen der Deutschen Umwelthilfe vor den zuständigen Verwaltungsgerichten zu Fahrverboten gedrängt werden.
Die Grenzwerte werden laut Umweltbundesamt in 70 Städten überschritten. Negative Spitzenreiter sind München, Stuttgart und Köln. Zum Kreis der belasteten Städte zählen auch Berlin, Dortmund, Düsseldorf, Essen, Frankfurt, Hamburg, Mainz, Mannheim und Nürnberg.
Welche Alternativmaßnahmen stehen zur Debatte?
Erwartungsgemäß sind die Reaktionen auf die Entscheidung zur Rechtsgültigkeit von Fahrverboten unterschiedlich ausgefallen. Kanzlerin Merkel beschwichtigt: Es gehe nicht um ganz Deutschland und alle Autobesitzer, sondern um einzelne Städte. Greenpeace betont, dass die Regierung nun eine Plakette einführen müsste, um klar zu kennzeichnen, welcher Diesel nur noch in bestimmte Städte fahren kann. Die Einführung der blauen Plakette ist von der möglichen Regierungskoalition (CDU/CSU und SPD) jedoch aktuell nicht geplant. Sie steht nicht im Koalitionsvertrag. Doch sie wäre notwendig, um “saubere” Diesel im Rahmen von Kontrollen erkennbar zu machen. NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller hebt hervor, dass betroffene Städte nun schnellstmöglich zu Vorreitern der Verkehrswende werden müssten.
Doch wie könnten mögliche Maßnahmen der Kommunen aussehen? Betrachten wir die Pläne anhand einiger Beispiele.
Übersicht: Die TOP 5 der belasteten deutschen Großstädte
Stadt | Geplante Maßnahme zur Reduktion der Luftbelastung |
Berlin | Zehn-Punkte-Plan |
Stuttgart | Diesel-Fahrverbote plus erweiterte Maßnahmen zur Emissionsreduktion |
München | Förderung der E-Mobilität und Verbote (scheinen unumgänglich) |
Hamburg | Diesel-Fahrverbote auf einzelnen Strecken und weitere Verkehrsoptimierungen |
Köln | Forderung der blauen Plakette |
👉 Berlin: Zehn-Punkte-Plan gegen Luftverschmutzung
Berlin möchte ein Diesel-Fahrverbot verhindern. Der hierfür aufgestellte Zehn-Punkte-Plan umfasst eine Ausweitung der Elektromobilität und mehr Tempo-30-Zonen. Zudem stehen intelligente Ampelschaltungen und ein konsequenteres Vorgehen gegen Parker in zweiter Reihe zur Debatte.
👉 Stuttgart: Diesel-Verbot wird befürwortet
In Stuttgart deutet alles darauf hin, dass Diesel-Fahrverbote kommen werden. Vermutlich werden diese ganzjährig gelten. Daneben soll der Nahverkehr ausgebaut, der Rad- und Fußverkehr gefördert sowie die E-Mobilität samt Infrastruktur ausgeweitet werden. Auch “Verkehrsverflüssigung” steht auf der Agenda.
👉 München: Stadtrat skeptisch
Münchens Bürgermeister fordert vom Bundesgesetzgeber einen “verträglichen Übergang”, etwa mit der Fortschreibung von Umweltzonen mit Übergangsfristen und Ausnahmeregelungen. Zudem legt die Stadt ein 60 Millionen Euro schweres Förderpaket für E-Mobilität auf. Trotz allem scheinen Verbote auch in der bayerischen Landeshauptstadt unausweichlich.
👉 Hamburg will Zeichen setzen
Hamburg hat Diesel-Fahrverbote auf einzelnen Streckenabschnitten beschlossen. Diese sollen bereits im April 2018 in Kraft treten. Jedoch sollen auch Maßnahmen erfolgen, um eine Ausweitung der Verbote zu verhindern. So sollen ab 2020 beispielsweise nur noch emissionsfreie Busse angeschafft werden. Auch ein Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos ist geplant. Ebenso sollen das Konzept des Carsharings und der Radverkehr ausgebaut werden.
👉 Köln fordert Einführung der blauen Plakette
Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker fordert vom Bund die Einführung der blauen Plakette. Welche Maßnahmen die Stadt konkret ergreifen will, ist nicht klar. Einiges deutet jedoch darauf hin, dass eine neue Umweltzone mit Diesel-Beschränkungen kommen soll.
Wie geht es jetzt für Dieselfahrer weiter?
Obwohl Politik und Autoindustrie uns nach wie vor weismachen wollen, Fahrverbote seien vielerorts noch aufzuhalten, sagen annähernd alle Experten das Gegenteil. Insbesondere für Besitzer von Euro-5- und Euro-4-Fahrzeugen (oder älter) wird es kritisch. Dank der Empfehlung der Bundesrichter, dass Verbote nur phasenweise eingeführt werden sollten, bleibt noch etwas Zeit, um gezielter zu planen und zu reagieren.
Wer allerdings, zum Beispiel als Pendler, nicht auf öffentliche Verkehrsmittel ausweichen kann, dem bleibt nur der Umstieg auf einen Benziner oder alternative Antriebe. Gleiches gilt für Anwohner betroffener Städte. Bei Verkauf eines alten Dieselautos, müssen die Besitzer laut Aussage des Leipziger Gerichts sogar einen gewissen Wertverlust in Kauf nehmen. Wer dies nicht hinnehmen möchte, kann nur vor Gericht klagen.
Vieles deutet darauf hin, dass “Notverkäufe” durch Hardware-Nachrüstungen umgangen werden könnten. Bislang haben sich die Hersteller geweigert, entsprechende Umbauten auf ihre Kosten durchzuführen. Der Druck steigt jedoch. In der Politik werden zunehmend Nachrüstungen durch die Autohersteller gefordert. Autofahrer und Steuerzahler sollen hierfür nicht zur Kasse gebeten werden.
Gewinner, Verlierer und noch keine entgültige Lösung in Sicht
Während sich Umweltschutzverbände und Anwohner schadstoffbelasteter Innenstädte freuen, sind Dieselfahrer verärgert. Sie müssen enorme Wertverluste hinnehmen oder werden möglicherweise in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Die Wut nun auf die Leipziger Richter zu konzentrieren, ist jedoch der falsche Ansatz. Diese haben lediglich eine Entscheidung getroffen, die aufgrund jahrelanger Versäumnisse durch Politik und Autoindustrie notwendig wurde.
Die vom Gericht eingeräumten Übergangsfristen könnte die Politik nun nutzen, um wirksame Hardware-Nachrüstungen durchzusetzen. Zunehmend wird in diesem Kontext gefordert, dass die Kosten von den Verursachern getragen werden. Dies sind die Autokonzerne, welche die Problematik über Jahre hinweg wissentlich wie auch unzulässigerweise hervorgerufen haben. Wenn die Regierung in dieser Frage umdenkt, könnte sie ihre Versäumnisse der Vergangenheit zumindest teilweise wieder ausgleichen.
Umrüstungen, Fahrverbote und sonstige Sofortmaßnahmen wie Gratis-ÖPNV stellen jedoch bestenfalls mittelfristige Lösungen dar. Weitaus wichtiger ist es, dass die Politik nun aus ihrer Defensive kommt und eine Vision für die Mobilität der Zukunft in Deutschland entwickelt. Erforderlich ist eine langfristige, umfassende Strategie für saubere Städte mit emmissionsfreiem Verkehr. Hierdurch wäre auch der Industrie insofern geholfen, als dass ihr eine Richtung vorgegeben würde, um umweltschonende Konzepte zu entwickeln.
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9. März 2018 @ 16:09
Vorweg: Ich bin ein Euro 5 Dieselfahrer. Mein CLS- Shooting Break hat vor 4,5 Jahren 104,5 T€ gekostet. Jetzige Angebote der AH zum Aufkauf beziffern sich auf 26 T€. Da werden manche sagen, selber schuld.
Aber nun zur Dieseldiskusion, welche in keinsterweise objektiv geführt wird. Nehmen wir z.B. die Zahlen der jährlichen Todesfälle, welche auf die Stickoxidkonzentration in der Luft zurückzuführen sei. Wenn nun in Büro’s und anderen Arbeitsplätzen eine immens höhere Konzentration zugelassen ist, liegt für mich der Verdacht nahe, das es dort zu gesundheitlichen Schädigungen gekommen sein kann. Wenn man einmal annimmt, das es der Diesel war oder ist, dann wären wir Dieselfahrer Massenmörder, welche mit politischer Duldung und Unterstützung durch den Hersteller dieser gefährlichen und hinterhältigen Mordinstrumente, weiter zigtausende Menschen sterben lassen. Anhand dessen, wie mit der Lösung dieses Problemes seit 2010 umgegangen wird, bin ich mir nicht sicher ob die Anschuldigung, die Dieselabgase seien schuld, objektiv richtig ist. Nehmen wir mal weiter an, ab morgen würden alle Dieselfahrer geläutert sein und ein Benzin PKW fahren, dann gäbe es trotzdem Stickoxide. Bestimmt an den benannten Stellen nicht so hoch. Wie sieht denn dann aber die Belastung durch CO2 und Feinstaub aus, liebe Benziner. Die Berufskläger des Umweltamtes reiben sich schon die Hände. Ich sage mal Waldsterben, Ozonloch, Ökostrom, Elektromobilität, Internet, Bargeldloser Geldverkehr, Bundeswehr, Alterspflege usw usw. Ich höre hier mal auf. Aber einer geht noch. Auf die Aussage der Benziner : Ihr mit eurem subventionierten DK, sei geantwortet : Wir zahlen aber auch eine andere Hubraumsteuer und natürlich verbrauchen wir weniger Kraftstoff und produzieren weniger CO2 und weniger Feinstaub als ihr. Eben dieser Schwefeldioxid, das ist echt das Problem. Ich würde sofort eine Hardwarelösung installieren lassen, auch wenn ich sie selbst bezahlen müsste. Nur warum sträubt sich Politik und Hersteller so dagegen? Weil sie eventuell schon wissen, das sich nach dem grossen Nachrüsten die Luftqualität nicht wirklich verbessert? Und wer ist dann schuld?